Ein Plädoyer für mehr Europa Weshalb wir besserer Teamplayer mit Frankreich werden müssen
- Civis
- 6. März
- 7 Min. Lesezeit

von Armin Laschet
Das Jahr 2024 hat uns schmerzlich gezeigt, dass wir innen- und außenpolitisch unter Druck stehen.
Das zeigen unter anderem die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, aber auch die Wiederwahl
von Donald Trump als US-Präsident. Wir brauchen eine starke weltpolitikfähige Europäische Union.
Dabei kommt Deutschland und Frankreich eine besondere Verantwortung zu.
„Sie alle beglückwünsche ich! Ich beglückwünsche Sie zunächst, jung zu sein. Man braucht ja nur die Flamme in Ihren Augen zu beobachten, die Kraft Ihrer Kundgebungen zu hören, bei einem jeden von Ihnen die persönliche Leidenschaftlichkeit und in Ihrer Gruppe den gemeinsamen Aufschwung mitzuerleben, um überzeugt zu sein, dass diese Begeisterung Sie zu den Meistern des Lebens und der Zukunft auserkoren hat.“
Mit diesen Worten eröffnete der französische Präsident Charles de Gaulle am 9. September 1962 seine Rede an die deutsche Jugend. Die Begeisterung seiner Zuhörer war enorm. Der Zweite Weltkrieg war zu dieser Zeit in den Erinnerungen der meisten Menschen noch präsent: An der Front gefallene Männer und Väter, Bombenangriffe, Kriegsgefangenschaft und tagtägliche Angst um das Überleben.
Die Aussöhnung Deutschlands mit seinen Nachbarn, allen voran mit Frankreich und die Idee eines gemeinsamen Europas als Friedensprojekt waren überzeugend. Visionäre und europäische Vordenker wie Konrad Adenauer, Robert Schuman, Alcide de Gasperi und Charles de Gaulle gründeten mit Weitsicht eine Europäische Gemeinschaft, die über Jahrzehnte den Frieden für ihre Mitglieder in Europa sichern sollte.
Die europäische Idee ist seitdem erfolgreich weiterentwickelt worden. Frieden und Wohlstand ist für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union heute so selbstverständlich, dass es als Begründung für die europäische Integration fast nicht mehr genügt. Stattdessen wird die EU mit Krisen assoziiert.
Warum Europa?
Es ist allerdings ein schwerer Irrtum zu glauben, ohne Europa hätten wir diese Krisen nicht. Im
Gegenteil: Wir leben heute in einer multipolaren Welt mit zahlreichen geopolitischen und
geoökonomischen Veränderungen. Was wäre bei der Finanzkrise 2008 passiert, wenn alle eine
„Mein-Land-First“-Politik betrieben hätten? Das Ergebnis wäre eine Weltwirtschaftskrise wie 1929 gewesen, die die Welt in den Abgrund gerissen hätte. Die nach dem Ende des Ost-West-Konflikts gehegte Hoffnung, die Demokratie werde einen globalen Siegeszug antreten, hat sich nicht erfüllt. Frühere Entwicklungsländer haben einen rasanten wirtschaftlichen Aufholprozess hinter sich, teils mit autoritärem Politikhabitus. Neue Technologien, Digitalisierung und künstliche Intelligenz ermöglichen völlig neue Wertschöpfungsketten mit neuen Chancen und Risiken. Wenn wir diese Entwicklungen nicht mitgestalten, werden wir unsere
Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Auch dies funktioniert nicht mit 27 sich widersprechenden
nationalen politischen Ausrichtungen, sondern nur europäisch.
Diese Wettbewerbsfähigkeit braucht aber auch Freihandel. Gerade unter dem erneut gewählten US-Präsidenten Donald Trump wird der Handelsprotektionismus voraussichtlich zunehmen. Auch in der NATO wird Trump mehr europäisches Engagement verlangen.
In einer multipolaren Welt erleben wir die Verschiebung politischer Kräfteverhältnisse. Russland und China arbeiten gestärkt an einer neuen Weltordnung. Der Zusammenschluss der BRICS-Staaten ist Ausdruck dieser Entwicklung. Dazu gehören auch Länder wie Indien, Südafrika oder Brasilien. Die Türkei möchte beitreten. Hiermit bilden die Länder des Globalen Südens ein Gegengewicht gegen eine westlich dominierte Weltordnung. Wer glaubt, 80 Millionen Deutsche könnten ihre Probleme allein besser lösen, der irrt. Eine „Mein-Land-zuerst“-Politik ist der falsche Weg!
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